DER HOLOCAUST IST VORBEI

DER HOLOCAUST IST VORBEI

>> Der Holocaust ist heute zu einem Prüfstein für diverse moralische, ethische und politische  Diskussionen und Entscheidungen geworden. Aber der Holocaust sollte beendet sein, weil die Erinnerung daran verzerrt wird. <<  Orit Arfa

Die Autorin ist Israelin, lebt seit 2016 in Berlin und schrieb den viral gewordenen Liebesbrief an Deutschland: https://boasinfo.wordpress.com/2016/07/26/liebesbrief-einer-israelin-an-deutschland/

 

Der Holocaust ist vorbei. Ich maße mir nicht an, diese kühne  Behauptung aufzustellen, denn wenn ich sie wirklich vertreten würde, wäre mein Hintergrund als Enkelin eines Holocaustüberlebenden irrelevant und kein Jude der direkt vom  Holocaust betroffen war, würde irgendeinen besonderen moralischen Standpunkt  einnehmen wenn er sich zur der Bedeutung des Holocaustgedenkens in der heutigen Gesellschaft äußern würde.

Auch  die Tatsache, dass ich seit einigen Monaten in Berlin als Journalistin lebe, gibt mir nicht ausreichend Urteilungsvermögen um die aktuellen deutsch-jüdischen Beziehungen zu bewerten. Doch die Wahl meines Aufenthalts hat mich sensibler und einfühlsamer gemacht gegenüber den weit verbreiteten Holocaustvergleichen. Insbesondere im Zusammenhang mit der Aufnahme hunderttausender Flüchtlingen und angeblicher Asylbewerber aus Syrien und anderen muslimischen Ländern.

Ein Beispiel: Einige Wochen nach dem Migranten Frauen in Köln bei der Neujahrsfeier sexuell belästigt hatten, zeigte mir ein deutscher Freund einen Artikel über ein Kurbad, dass Muslimen den Eintritt verweigerte.  Er verglich das mit Plakaten aus Hitlerdeutschland wo Juden der Zutritt zu deutschen Geschäften untersagt wurde. Ich wies ihn freundlich darauf hin, dass Juden der Zutritt aber nicht verboten wurde weil sie davor Frauen massenhaft sexuell belästigt hatten.

In letzter Zeit ist der Holocaust zu einem Prüfstein geworden für diverse moralische, ethische und politische  Diskussionen oder Entscheidungen.

Deutsche und Juden bekämpfen die Gaskammern und die „Heil Hitlers“ – rückwirkend. Jetzt ist es einfach – aber leider ein wenig zu spät.

Dieser nachträgliche Krieg gegen den Holocaust resultiert in Besorgnis gegen den rechten Flügel der Nationalisten, ja, sogar gegen einfachen Patriotismus. Auch gegenüber vielen anderen Nationalitäten und Religionen, deren Verhalten in keinster Weise Ähnlichkeiten mit den Ereignissen haben die mit den Gräueltaten Hitlers vergleichbar wären. „Aktivisten“ bekämpfen immer noch den alten Antisemitismus der aus dem Rassismus der Nazis und den „Protokollen der Weisen von Zion“ besteht, wonach Juden die Weltherrschaft anstreben.

Ein weiteres Beispiel, diesmal aus Amerika, zeigt wie Besorgnis –  manchmal auch Hysterie – gegenüber dem alten Antisemitismus sein Haupt erhob, als der weiße  Rassist David Duke seine Unterstützung für Donald Trumps Präsidentschaft bekannt gab. Dies war für Trumps Gegner Grund genug dafür, ihn als „Hitler“ zu betiteln. In Deutschland wird die aktuell erfolgreiche Anti-Islam Partei AfD von Linken als zu fürchtende „Nazipartei“ dämonisiert.

Aber der Holocaust ist vorbei. Dank des vernichtenden Sieges der Alliierten und der Aufklärung über den Holocaust, werden Nazis und Ihresgleichen allgemein als verrückte Spinner ohne jegliche Legitimität angesehen.

Doch wie ist der Holocaust auf einer abstrakten Ebene beendet? Die Bibel behandelte die Schuldzurechnung für spätere Generationen mit dieser Aussage: „Die Sünden der Väter werden bis zur dritten und vierten Generation weitergetragen.“

Ich verstehe diese Aussage rational betrachtet so, dass es drei bis vier Generationen dauert, um aus Fehlern zu lernen und das Übel, das in einer Familie oder Gesellschaft existierte, reinzuwaschen. Deutschland hat den Punkt erreicht.

Der Holocaust sollte beendet sein, weil die Erinnerung daran verzerrt wird.

Durch das wiederholte Bemühen des Holocausts als Rechtfertigung oder als Begründung für diese oder jene Politik, vergessen wir die konzeptionellen Grundlagen der Tyrannei und suchen stattdessen nach fehlerhaften  eins- zu eins Analogien zwischen politischen Verbrechen von heute und NS-Verbrechen.

Da der Staat Israel zu der Zeit des Holocausts nicht existierte, haben wir keine aktuelle historische Grundlage um die Diskriminierung Israels, dem Sitz der  jüdischen Nation, als Antisemitismus zu identifizieren.

Dies führt bei Judenhassern dazu, dass sie behaupten, da die Nazis Nationalisten waren die für das „Vaterland“ kämpften, die Israelis die für ihr heiliges „Heimatland“ kämpfen, die heutigen Nazis sind – die neuen „anti-Semiten“, Unterdrücker der Palästinenser. Die Fatah ist die „Haganah“ und die Hamas die „Etzel“ des palästinensischen „Zionismus“. Muslime sind heute die jüdischen Flüchtlinge der 1930er und 40er Jahre. Die BDS Bewegung, die es auf israelische Produkte abgesehen hat, ist eigentlich eine Menschenrechtsbewegung.

Der Holocaust war ein einmaliges Ereignis bei dem ganz bestimmte Verbrechen von ganz bestimmten Akteuren begannen wurden, zu einer ganz bestimmten Zeit und bestimmten Orten. Jedoch das Gedankengut, das zu der Nazidiktatur und zur Vernichtung führte, hat die die Menschheit seit Beginn ihrer Geschichte begleitet.

Tyrannei bedeutet die Aufhebung individueller Menschenrechte – die Umkehr moralischer Standards gegenüber Raub und Mord – für das übergeordnete Ziel einer Gemeinschaft, Religion, eines Staates oder einer Ideologie.

Das „Volk des Buches“, durch das moralische Standards in Form der Zehn Gebote eingeführt wurden, ist in der Regel als erstes Opfer solcher Tyranneien.

Wenn wir den Holocaust nüchtern betrachten würden, anstatt emotionale Vergleiche mit aktuellen Ereignissen anzustellen, dann geht die Gefahr eines jüdischen Völkermords heute vom totalitären Islam aus, der die Zerstörung des jüdischen Staates anstrebt und Synagogen in Flammen aufgehen lässt. Zumindest wenn der jüdische Abzug aus Gaza 2005 als ein Indiz gewertet wird. Das freie und demokratische Israel steht dem totalitären Machtanspruch des Islam im Nahen Osten im Weg. Jetzt ist es jedoch leider so, dass im Namen des Holocaust, der Islam und seine Anhänger wegen dem „Nie Wieder“ nicht rational beurteilt werden können.

Es steht außer Frage, der Holocaust ist das schlimmste Verbrechen das je am jüdischen Volk  und möglicherweise auch an der Menschheit begangen wurde.

Um in Zukunft die Wiederholung des Holocausts zu verhindern, müssen wir von den Gräueln lernen, gleichzeitig aber aufhören emotional darauf zu reagieren.

Nur so werden wir eine konzeptionelle Basis bilden können und Entscheidungen aufgrund dessen treffen was recht und ethisch ist, nicht aufgrund von Angst, Schuldgefühlen oder verspätetem Heldentum.

Wenn die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, das nächste Mal behauptet, dass Deutschland eine historische Verantwortung hat die Grenzen bedingungslos für alle Muslime zu öffnen (als ob sie sich nicht sicher wäre, dass Deutschland seine rassistische Vergangenheit überwunden hätte), dann will ich sagen: Der Holocaust ist vorbei. Und wenn das nächste Mal Leute zu mir sagen werden, dass sie ihren Fuß nicht in Deutschland setzen werden, weil das Land voll jüdischen Blutes ist, dann will ich auch trotz der Freude der Holocaustleugner sagen: Der Holocaust ist eigentlich vorbei.

©Übersetzung: Andreas Boldt

Foto: Orit Arfa in Berlin

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Der Artikel erschien in der Jerusalem Post am 20.09.2016:
http://www.jpost.com/Opinion/The-Holocaust-is-over-468251

Die Autorin ist israelische Journalistin und lebt derzeit in Berlin. Ihr Buch „Der Siedler“, ein Roman über das moderne Israel, kann hier bestellt werden:
https://www.amazon.de/Settler-novel-modern-Israel/dp/0996162003/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1474816436&sr=8-1&keywords=the+settler+orit+arfa

Hier ihre Webseite für weitere Informationen, hier klicken: http://oritarfa.net/

Lieder von Orit Arfa:

https://www.amazon.de/Settler-EP-Orit-Arfa/dp/B01CQ7SWMW/ref=sr_1_3?ie=UTF8&qid=1474816549&sr=8-3&keywords=the+settler+orit+arfa

 

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